Triangulation und Mixed Methods

Prof. Günter Mey, Paul Sebastian Ruppel & Rubina Vock

Triangulation bezeichnet in den Sozialwissenschaften ein Vorgehen, um ein vielschichtiges Verständnis von einem Forschungsgegenstand zu erhalten. Hierzu können unterschiedliche methodische Verfahren, verschiedene Daten, theoretische Annahmen sowie unterschiedliche Forschendenperspektiven aufeinander bezogen werden. Auch eine Kombination aus qualitativem und quantitativem Vorgehen (Mixed Methods) zählt hierzu.
 

 

1. Historische Einordnung

Der Begriff der Triangulation stammt aus der Geodäsie und bezeichnet hier die Abstandsmessung innerhalb eines Dreiecks (Triangel). Ab den 1950er Jahren wurde der Begriff in die Sozialwissenschaften übernommen, als hier verstärkt der Frage nachgegangen wurde, inwiefern der untersuchte Forschungsgegenstand von der jeweils eingesetzten Methode konstituiert wird.[1] Vor allem durch die Arbeit von Denzin[2] fand das methodologische Konzept der Triangulation erhöhte Aufmerksamkeit. Er definiert Triangulation als „the combination of methodologies in the study of the same phenomena“ (S. 297).

In der Forschungspraxis ist das Konzept der Triangulation bereits wesentlich älter und wurde in vielen klassischen Studien angewandt. So wurden in der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel[3] unterschiedlichste qualitative wie quantitative Daten und Methoden eingesetzt, um die sozialen, materiellen und psychologischen Folgen von Arbeitslosigkeit für die Bewohner*innen eines Dorfes zu ermitteln. Hierzu gehörten u. a. objektive Daten (z. B. Gesundheitsstatistiken) und subjektive Perspektiven (z. B. mittels Interviews), die durch Beobachtungen des alltäglichen Lebens und die Analyse historischen Materials ergänzt wurden.

2. Ziele

Triangulation

Mit der Einführung des Konzepts der Triangulation sind unterschiedliche Ziele verfolgt worden. Zunächst wurde die Triangulation primär als Validierungsstrategie zur Sicherung der Güte der Forschungsergebnisse verstanden. Dabei ging man davon aus, dass die jeweils angewandten Verfahren das Gleiche erheben würden und somit auch zu den gleichen Ergebnissen kommen müssten.

Diese Auffassung erfuhr zunehmend Kritik, da die Reaktivität von Methoden, d.h. der Einfluss der jeweiligen Methode auf die Hervorbringung bestimmter Daten und damit auch auf die Ergebnisse, außer Acht gelassen wurde. In den 1980er Jahren erfolgte daraufhin eine Neudefinition. Von nun an wird die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen Gegenstand als Ergänzung verstanden, als Strategie, um zu einem tieferen und vielschichtigeren Verständnis des untersuchten Gegenstands zu gelangen.

Abb. 1: Beispiel der Nutzung mehrerer Methoden für ein tieferes Verständnis

3. Formen der Triangulation

Unterschieden werden im Anschluss an Denzin zumeist vier Formen der Triangulation:

  • Daten-Triangulation, bei der Daten aus unterschiedlichen Zeitpunkten, von verschiedenen Orten, Personen und/oder weiteren Quellen verwendet werden.
     
  • Investigator- oder auch Forschenden-Triangulation bei der Datenerhebung (bspw. der Einsatz unterschiedlicher Beobachter*innen oder Interviewer*innen) bzw. Datenauswertung (bspw. die Arbeit von zwei Kodierer*innen in der qualitativen Inhaltsanalyse).
     
  • Theorien-Triangulation, bei der die Analyse des Gegenstandes unter Hinzuziehung verschiedener Theorien, Konzepte oder Hypothesen erfolgt.
     
  • Methodologische Triangulation, bei der unterschiedliche Methodenelemente eingesetzt werden, wobei unterschieden wird zwischen:

    • Within-method-Triangulation, d. h. die Kombination innerhalb einer Methode, bspw. die Verwendung verschiedener Subskalen in einem Fragebogen oder die Verwendung unterschiedlicher Kommunikationsformen (Erzähl- und Fragenteil) im problemzentrierten Interview.
       
    • Between-method-Triangulation, d. h. die Anwendung verschiedener Methoden, bspw. die Kombination von Interview und teilnehmender Beobachtung. Dabei kann die Anwendung der verschiedenen Methoden nacheinander (z. B. erst eine teilnehmende Beobachtung mit anschließendem Interview) oder parallel (z. B. bei ethnografischer Forschung) erfolgen.

 

 

4. Mixed Methods – die Kombination qualitativer und quantitativer Verfahren

Unter Mixed-Methods-Forschung wird generell die Kombination von Elementen eines qualitativen und eines quantitativen Forschungsansatzes innerhalb einer Untersuchung oder mehrerer aufeinander bezogener Untersuchungen verstanden[4]. Dabei geht es um die kontinuierliche Erhebung und Verknüpfung (Integration) beider Datensorten.

In der Diskussion um Mixed Methods lag der Fokus verstärkt auf der Funktion eines solchen Vorgehens und dem daraus folgenden Forschungsdesign, und es entstand eine Vielzahl von Mixed-Methods-Designtypologien. Creswell und Plano Clark[5] nennen vier Hauptformen von Mixed-Methods-Designs:

 

  • Das Triangulationsdesign: Hierbei werden qualitative und quantitative Daten gleichzeitig erhoben und gehen gleichwertig in die Auswertung ein. Die so entstandenen Ergebnisse werden miteinander verglichen, um ein umfassenderes Bild über das interessierende Phänomen zu erhalten.
     
  • Das eingebettete Design: Dabei überwiegt eines der beiden methodischen Vorgehen und die jeweils andere Methode wird ergänzend zur Beantwortung von Teilfragestellungen bereits während der Datenerhebung eingesetzt.
     
  • Das explorative Design: Während die beiden zuvor beschriebenen Vorgehensweisen parallel erfolgen, werden das explorative sowie das nachfolgend beschriebene explanative Design nacheinander (in zwei Phasen) durchgeführt. Beim explorativen Design werden zunächst qualitative Daten erhoben und analysiert, um anschließend aus den Ergebnissen ein quantitatives Vorgehen zu entwickeln. Hierzu zählen z. B. die häufig anzutreffende Item-Entwicklung aus sogenannten qualitativen Vorstudien für Fragebogenuntersuchungen.
     
  • Das explanative Design: Hier folgt auf ein quantitatives Vorgehen (z. B. eine Fragebogenstudie) eine qualitative Untersuchung, um einzelne Ergebnisse zu vertiefen oder besser zu verstehen. Dabei werden zunächst die quantitativen Daten ausgewertet und bspw. sich daraus ergebende Fragen durch ein anschließendes qualitatives Vorgehen präzisiert.
     

Neben einer Kombination zweier Vorgehensweisen sind natürlich auch komplexere Forschungsdesigns möglich, bei denen mehr als zwei Methoden berücksichtigt werden. So können bspw. in einem rein qualitativen Vorgehen Daten aus teilnehmender Beobachtung durch ethnografische Gespräche während und qualitative Expert_inneninterviews sowie Gruppendiskussionen nach der Beobachtungsphase ergänzt werden, oder es wird in einem Mixed-Methods-Ansatz mithilfe einer vorgeschalteten qualitativen Befragung ein Fragebogen entwickelt, dessen Ergebnisse durch weitere nachgelagerte qualitative Interviews vertieft werden.

 

 

5. Methodologische Kontroversen und praktische Herausforderungen

Innerhalb der Diskussionen um die Kombination unterschiedlicher Zugänge zur Erforschung eines Gegenstandsfelds finden sich durchaus einige Kontroversen. Während manche Mixed Methods als „Spezialfall“ von Triangulation verstehen, sehen andere wiederum in der Triangulation den Ansatz zur Verknüpfung von Forschungsperspektiven, Mixed Methods dagegen als eher pragmatischen Methodenmix. Auch wird oft kritisch angemerkt, dass bei Mixed Methods überwiegend die quantitative Forschungslogik dominiert und damit die qualitative Forschung mit ihren Potenzialen der Theoriebildung nicht ausreichend Eingang findet.[6]

Ungeachtet dieser Auseinandersetzungen besteht die Herausforderung bei der Kombination mehrerer Methoden darin, dass ein breites Wissen über die verschiedenen Zugänge erforderlich ist. Neben der theoretischen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Methoden und Vorgehensweisen, welche Daten bspw. durch eine teilnehmende Beobachtung und durch ein qualitatives Interview erhoben und welche Fragestellungen damit beantwortet werden können, müssen Forschende auch über Kompetenzen in der Durchführung der Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung der jeweiligen Methoden verfügen. Die Anwendung eines Mixed-Methods-Designs erfordert bspw. Kenntnisse der Fragebogenentwicklung und (inferenz-)statistischen Auswertung sowie qualitativ-methodische Kompetenzen in der Entwicklung offener Leitfadeninterviews und ihrer Auswertung.

Nicht weniger herausfordernd ist die Aufgabe der Integration der aus den unterschiedlichen Forschungsstrategien gewonnenen Ergebnisse, bei der diese zueinander in Beziehung gesetzt und nicht nur additiv nacheinander abgearbeitet und dargestellt werden.[7]

Nicht zuletzt aufgrund der hohen Anforderungen von Triangulation und Mixed Methods als komplexe Verfahrenskombinationen, sei darauf hingewiesen, dass sie einen höheren zeitlichen Aufwand erfordern und sich eine Zusammenarbeit im Team empfiehlt, um Kompetenzen in den unterschiedlichen Forschungssträngen zu gewährleisten. Wohl auch deshalb finden sich überzeugende Arbeiten vor allem in geförderten Drittmittelprojekten, wie bspw. die mehrjährige Studie „Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf“ des Sonderforschungsbereichs an der Universität Bremen.[8] Davon sollten sich aber kleinere Projekte nicht entmutigen lassen, wenn sie die mit der Kombination und Integration von qualitativer und quantitativer Forschung verbundenen Ansprüche berücksichtigen und gemäß dem Leitspruch „weniger ist mehr“ vorgehen. Beispiele für (laufende) triangulative oder Mixed-Methods-Studien finden sich z. B. auf der Webseite des „Berliner Methodentreffen Qualitative Forschung“, in der Rubrik „Postersession“[9], in der dort diskutierte Arbeiten dokumentiert sind.

 

 

Literatur

Zentrale Veröffentlichungen

Burzan, Nicole (2016). Methodenplurale Forschung. Chancen und Probleme von Mixed Methods. Weinheim: Beltz Juventa.

Flick, Uwe (2011). Triangulation (3. akt. Aufl.). Wiesbaden: VS.

Kuckartz, Udo (2014). Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Wiesbaden: Springer VS.

Übersichtsdarstellungen

Flick, Uwe (2017). Triangulation in der Qualitativen Forschung in der Psychologie. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (2. erw. und akt. Aufl.). Heidelberg: Springer Reference Psychologie. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-18387-5_23-1.

Schreier, Margrit & Odağ, Özen (2017). Mixed-Methods-Forschung in der Psychologie. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (2. erw. und akt. Aufl.). Heidelberg: Springer Reference Psychologie. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-18387-5_22-1.

Lippe, Holger von der; Mey, Günter & Frommer, Jörg (2011). Zur Frage der Integration qualitativer und quantitativer Forschung in der Psychologie. Zeitschrift für Qualitative Forschung, 12(1), 3-24, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-386909.

Vertiefende Lektüre

Kelle, Udo (2008). Die Integration qualitativer und quantitativer Methoden in der empirischen Sozialforschung. Theoretische Grundlagen und methodologische Konzepte. Wiesbaden: VS.

Plano Clark, Vicky L. & CresweIl, John W. (2008). The Mixed Methods Reader. Thousand Oaks, CA: Sage.

Tashakkori, Abbas M. & Teddlie, Charles B. (Hrsg.) (2010). Sage Handbook of Mixed Methods in Social & Behavioral Research (2. Aufl.). Thousand Oaks, CA: Sage.

 

 

Beispiele

Beispiele für ein qualitatives triangulatives Vorgehen:

Hermann, Anja (2005). Das Arrangement der Hoffnung: Kommunikation und Interaktion in einer onkologischen Spezialklinik während der chirurgischen Behandlung von Knochen- und Weichgewebesarkomen. Frankfurt a.M.: Mabuse.

Hackel, Monika & Klebl, Michael (2008). Qualitative Methodentriangulation bei der arbeitswissenschaftlichen Exploration von Tätigkeitssystemen [28 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 9(3), Art. 15, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0803158.

Beispiel für eine Mixed-Methods-Studie:

Stolz, Jörg, Konemann, Judith; Schneuwly Purdie, Mallory; Englberger, Thomas & Krüggeler, Michael (2014). Religion und Spiritualitat in der Ich-Gesellschaft: Vier Gestalten des (Un)-Glaubens. Zürich: Theologischer Verlag.

Weitere Beispiele zu Mixed Methods:

Baur, Nina; Kelle, Udo & Kuckartz, Udo (2018). Mixed Methods. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft, Bd. 56, Wiesbaden: Springer VS.

 


[1] Campbell, Donald T. & Fiske, Donald W. (1959). Convergent and Discriminant Validation by the Multitrait-Multimethod Matrix. Psychological Bulletin, 56, 81-105.

[2] Denzin, Norman K. (1970). The Research Act: A Theoretical Introduction to Sociological Methods. Chicago: Aldine.

[3] Jahoda, Marie; Lazarsfeld, Paul & Zeisel, Hans (1975). Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit (7. Aufl.). Frankfurt a.M.: Suhrkamp. [Orig. 1933]

[4] Schreier, Margrit & Odağ, Özen (2017). Mixed-Methods-Forschung in der Psychologie. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (2. erw. und akt. Aufl.). Heidelberg: Springer Reference Psychologie. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-18387-5_22-1.

[5] Creswell, John W. & Plano Clark, Vicki L. (2007). Designing and Conducting Mixed Methods Research. Thousand Oaks, CA: Sage.

[6] Flick, Uwe; Kelle, Udo; Kromrey, Helmut; Reichertz, Jo; Rost, Jürgen & Schreier, Margrit (2014). Qualitative und quantitative Methoden in der Sozialforschung. Eine Diskussion. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Qualitative Forschung. Analysen und Diskussionen (S.183-225). Wiesbaden: Springer VS.

[7] Diaz-Bone, Rainer; Kelle, Udo & Reichertz, Jo (2014). Zur Frage der Integration qualitativer und quantitativer Forschung. Eine Diskussion. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Qualitative Forschung. Analysen und Diskussionen (S.227-232). Wiesbaden: Springer VS.

[8] Kluge, Susann & Kelle, Udo (Hrsg.) (2001). Methodeninnovation in der Lebenslaufforschung. Integration qualitativer und quantitativer Verfahren in der Lebenslauf- und Biographieforschung. Weinheim: Juventa.

[9] https://www.qualitative-forschung.de/methodentreffen/angebot/ps/

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