Qualitative Sozialforschung … ist voraussetzungsvoll!

Qualitative Sozialforschung ist genauso so komplex, aufwendig und methodisch anspruchsvoll wie standardisierte Forschung – vielleicht sogar noch mehr aufgrund ihrer zwangsläufig inhärenten hermeneutischen Anteile, die seriöse und qualitativ hochwertige Forschung sehr voraussetzungsvoll machen.

Qualitative Forschung

Qualitative Sozialforschung ist insbesondere auch deshalb so voraussetzungsvoll, weil sie per se auf spezifischen gesellschaftstheoretischen Annahmen aufbaut, denen die standardisierte Forschung oftmals nicht folgt (vgl. Kalthoff et al. 2008; Kruse 2014: Kapitel I, Abschnitt 1). In diesem Zusammenhang stehen auch andere Prämissen in wissenschaftstheoretischer bzw. erkenntnistheoretischer Hinsicht. Aus diesem Grund sind auch die Erkenntnisziele qualitativer Sozial-/Interview¬forschung dezidiert andere als in der standardisierten Sozialforschung (vgl. Kelle 2007; Kruse 2014: Kapitel I, Abschnitt 2). Insgesamt stellt sich die qualitative Sozial-/Interviewforschung damit in methodologischer und methodischer Hinsicht ganz anders auf als die quantitative Sozialforschung.

Dies wäre alles kein Problem, denn die operativen Eigenlogiken der qualitativen und quantitativen Sozialforschung stehen nicht in einer Konkurrenz, sondern verhalten sich komplementär zueinander – ja, sie sind sogar in egalitärer Weise gegenseitig aufeinander angewiesen (vgl. Kelle 2007).

Allerdings ist die Sozialisation – also die grundlegende Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern bzw. Nachwuchswissenschaftlerinnen – in den Sozialwissenschaften in Hinblick auf den epistemologischen Denkstil nach wie vor stark oder rein quantitativ geprägt. Dies hat zur Folge, dass Nachwuchsforscher/innen in der empirischen Sozialforschung, wenn sie sich Methoden der qualitativen Forschung umfassender aneignen und auch anwenden wollen, vor zahlreichen denkstilbedingten Problemen stehen.

Jene haben vor allem erst einmal etwas mit sich als Forscher/innen-Persönlichkeit zu tun (vgl. Breuer 2009), die von der operativen Eigenlogik qualitativer Sozial- bzw. Interviewforschung, welche eben durch eine spezifische Haltung gegenüber Wirklichkeit, Erkenntnisprozessen und Erkenntniszielen beschrieben werden kann‚ habituell irritiert‘ wird.

 

Literatur

Breuer, Franz (2009): Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis. Wiesbaden: VS-Verlag. Helfferich, Cornelia (2009): Qualität qualitativer Daten. Manual zur Durchführung qualitativer Einzelinterviews. 3. überarb. Aufl., Wiesbaden: VS-Verlag.

Kalthoff, Herbert/Hirschauer, Stefan/Lindemann, Gesa (Hg.) (2008): Theoretische Empirie. Zur Relevanz qualitativer Forschung. Frankfurt/M: Suhrkamp.

Kelle, Udo (2007): Die Integration qualitativer und quantitativer Methoden in der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: VS-Verlag.

Kruse, Jan (2014): Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. Weinheim: Juventa.

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