In welchem Verhältnis steht Ihr Vorhaben zur bisherigen Forschung zu Ihrem Thema?
Von John Swales stammt das CARS-Modell[1] , das dabei helfen kann, das Verhältnis der eigenen Arbeit zum Diskurs zu bestimmen. CARS steht dabei für: „Creating A Research Space“. Damit ist der Platz innerhalb eines Forschungsfeldes gemeint, den Sie mit Ihrer Arbeit einnehmen oder auch besetzen. Um diesen Platz zu definieren, müssen Sie zunächst erklären, was es bereits zu Ihrem Thema gibt oder was man bereits dazu weiß (s. „Den Forschungsstand darstellen“).
Der zentrale Schritt, der sich daran anschließt, besteht darin zu klären, was für einen Beitrag Ihre Arbeit in dieser bestehenden Forschungslandschaft genau darstellt.
Swales bietet in seinem Modell hierzu vier mögliche Positionen an:
a) Sie entwickeln und vertreten eine Gegenposition.
Beispiel: Sie halten bisherige Annahmen oder prominente, den Diskurs bestimmende Positionen für falsch und wollen sie mit Ihrer Arbeit argumentativ widerlegen.
b) Sie füllen eine Forschungslücke.
Beispiel: Sie untersuchen einen Aspekt, der bisher nicht beachtet wurde, oder Zusammenhänge, über die man bisher nichts weiß, oder Sie wenden eine Methode auf einen Gegenstand an, auf den sie bisher nicht angewandt wurde, um so einen neuen Zugang zu einem Thema zu erproben.
c) Sie stellen etwas infrage.
Beispiel: Sie wollen bisherige Erkenntnisse anhand neuer technischer Möglichkeiten überprüfen, oder es wurde ein Aspekt in der bisherigen Forschung zwar beachtet, ist jedoch unklar geblieben, oder Sie vermuten, dass man Ergebnisse früherer Forschung heute auch anders oder ergänzend interpretieren könnte oder müsste.
d) Sie führen eine Forschungstradition weiter.
Beispiel: Sie ergänzen frühere Forschung, um Erkenntnisse zu vertiefen und zu verfestigen, etwa indem Sie neue Vergleiche anstellen, die Unterschiede ähnlicher Untersuchungen analysieren und auswerten oder indem Sie disparate Forschungsergebnisse in einem Überblick zusammenstellen und kommentieren.
In Zusammenhang mit Punkt d) kommt noch eine fünfte, bei Swales nicht genannte Option in den Blick:
e) Sie erarbeiten Grundlagen für weitere Forschung.
Dieser Ansatz verortet sich in einer Forschungstradition weniger mit dem Ziel, daran anzuknüpfen, sondern vielmehr, um weitere Anschlussmöglichkeiten bereitzustellen. Dies ist dann der Fall, wenn für weitere Forschung zunächst noch Zusammenhänge geklärt, Wirkungsmechanismen verstanden oder Ursachen für Phänomene bestimmt werden müssen.
Wie bestimmen Sie Ihre Position?
Überlegen Sie, welche der fünf Positionen am stärksten auf Ihr Vorhaben zutrifft, und schreiben Sie dann einen kurzen, nur für Sie selbst bestimmten Text, in dem Sie entweder erklären,
- worin genau Ihre Gegenposition besteht und wogegen Sie argumentieren wollen, oder
- warum und worin die Forschungslücke besteht, in die Sie vorstoßen wollen, oder
- was Sie infrage stellen und was eventuell in früherer Forschung unklar geblieben ist, oder
- warum es sinnvoll ist, eine bestimmte Forschungstradition fortzuführen, oder
- worin die Grundlagen bestehen, die Sie erarbeiten wollen, und welcher weiteren Forschung sie dienen sollen.
In Ihrer Dissertation müssen Sie darüber Auskunft geben können, wo Sie in Ihrem Forschungsfeld stehen und aus welcher Perspektive Sie darauf blicken. Vor diesem Hintergrund erhält die Darstellung des Forschungsstandes die Funktion, den Leser auf den „Research Space“, die Nische, die Sie besetzen werden, hinzuführen. Erst indem Sie erklären können, warum und in welchem Verhältnis zur bisherigen Forschung Sie diese Nische füllen werden, verorten Sie Ihre Arbeit im Diskurs.
[1] John Swales (1990): Genre Analysis, Cambridge: Cambridge University Press, S. 141. Das komplette CARS-Modell ist online zum Beispiel zu finden unter: https://owl.english.purdue.edu/owl/resource/994/03/