1. Welche Formen der Transkription gibt es?
In der Praxis wird meist zwischen zwei Transkriptionsformen unterschieden: Zwischen der wortgetreuen und der geglätteten Transkription.
1.1. Die wortgetreue Transkription
Versuchen Sie sich vorzustellen wie es aussähe, ein Gespräch Wort für Wort auf Papier zu bringen. Für viele sähe das ziemlich merkwürdig aus, denn in normalen Gesprächen wird gestottert, wiederholt und umgangssprachlich gesprochen. Die wortgetreue Transkription zielt genau darauf ab: Es soll die Art und Weise erfasst werden, wie etwas gesagt wird. Die hierbei angewandte Darstellungsweise von Interjektionen, Wiederholungen, abgebrochene Wörter, Dialekten, Umgangssprache etc. hängt von dem Kontext und den Vorgaben ab. Für eine sprachwissenschaftliche Forschung ist eventuell die Aufzeichnung von Akzenten und Dialekten relevant, für eine psychologische Forschung wiederum eher Betonungen, Interjektionen und Wiederholungen.
Ein Beispiel für eine wortgetreue Transkription:
Befrager: Wie alt sind Sie?
Befragter: Ähm, ich bin 30 Jahre alt.
Befrager: Alles klar, alles klar. Und, äähm, wo wohnen Sie im Moment?
Befragter: Ich wohne de-derzeit in Sp/ Berlin. (…) Aber ich habe auch mal in Köln gewohnt.
Da Menschen oft nicht grammatikalisch korrekt sprechen und gesprochene Sätze oft lang sind, beansprucht das Lesen wörtlicher Transkriptionen mehr Zeit und ist mühsamer. Der Kontext wird jedoch klar und es kann besser analysiert werden, ob jemand beispielsweise Zweifel hat oder die Wahrheit sagt. In vielen Fällen ist eine wortgetreue Transkription erforderlich, beispielsweise in den oben genannten Forschungsbereichen oder im juristischen Kontext.
1.2. Die geglättete Transkription
Die geglättete Transkription, zielt auf den Inhalt einer Konversation ab. Interjektionen, Wiederholungen, abgebrochene Wörter etc. werden ignoriert. Der Transkribierer schreibt die Konversation so grammatikalisch korrekt wie möglich, um den geschriebenen Text gut lesbar zu halten. Eine geglättete Transkription gibt den Inhalt eines Gesprächs perfekt wieder, nicht aber die Art, wie etwas gesagt wird. Auch hier hängen die Regeln für die Transkription vom Kontext und den Vorgaben ab.
Ein Beispiel für eine geglättete Transkription:
Befrager: Wie alt sind Sie?
Befragter: Ich bin 30 Jahre alt.
Befrager: Und wo wohnen Sie im Moment?
Befragter: Ich wohne derzeit in Berlin. Aber ich habe auch einmal in Köln gewohnt.
Diese Transkriptionsart ist sinnvoll, wenn der Inhalt eines Gesprächs relevanter ist als der Kontext. Anwendungsbeispiele sind zu veröffentlichende Interviews oder Forschungsbereiche, bei denen der Inhalt des Gesprächs im Fokus ist.
Je nachdem, wie einfach oder komplex Transkriptionsregeln angewandt werden, verschwimmen die Grenzen zwischen wortgetreuer und geglätteter Transkription.
2. Das Transkribieren vorbereiten
Da das Transkribieren zeitaufwändig ist, ist es empfehlenswert, sich noch vor der Datenerhebung, sei es eine Audio- oder eine Videoaufnahme, gut vorzubereiten.
Theorie und Methode. Das betrifft zum einen natürlich, dass man über einen gut durchdachten Interviewleitfaden oder Fragenkatalog verfügt; das heißt verallgemeinernd, dass man eine geeignete theoretische und methodologische Basis für die Datenerhebung hat.
Interviewpartner. Ferner ist es von der stringenten Behandlung der Forschungsfragen abgesehen auch aus Zeitgründen essenziell, geeignete Interviewpartner zu haben.
Audio- bzw. Bildqualität. Vor der Datenerhebung ist es essentiell sich zu vergewissern, dass man über ein geeignetes Aufnahmewerkzeug verfügt. Man sollte etwa testen, wie stark Hintergrund- bzw. Umgebungsgeräusche in einer Audioaufzeichnung zu hören sind oder ob der Frequenzbereich der Stimme gut abdeckt wird. Der springende Punkt ist, dass das Transkribieren an sich schon zeitaufwändig ist, aber das Transkribieren einer schlechten Aufnahme außerordentlich frustrierend werden kann. Es kann vom eigentlichen Forschungsvorhaben ablenken und ggf. zum Verlust von schlimmstenfalls auch wichtigen Teilen des Datenmaterials führen.
Lässt sich mit dem Datenmaterial, das man selbst erzeugt oder von anderen Forscher/innen erhalten hat, ausreichend gut arbeiten, wird die Frage nach den Möglichkeiten zur Durchführung einer Transkription aktuell.
3. Welche Möglichkeiten zu transkribieren gibt es?
Wenn Sie Audio- oder Videodateien transkribieren müssen, haben Sie prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder Sie transkribieren selbst, oder Sie geben die Transkription extern in Auftrag.
3.1. Selbst transkribieren
Selbst transkribieren kostet viel Zeit, hat aber auch den Vorteil, dass Sie tief in Ihre eigene Forschung einsteigen. Jedes Mal, wenn Sie sich die Audioaufnahmen anhören, setzen Sie sich bewusst mit Ihrem Datenmaterial auseinander wobei im Hinterkopf bereits eine erste Interpretation bzw. Auswertung sowie eine Überblicksgewinnung stattfinden. Sie verstehen, was die Sprecher genau meinen, kennen die Gesprächsinhalte besser und sparen dadurch wertvolle Zeit bei der nachfolgenden Analyse selbst. Zudem ist dies meist günstiger, als die Transkription in Auftrag zu geben.
Die Transkription einer einstündigen Audioaufnahme dauert je nach Audioqualität und je nachdem, wie erfahren Sie im Transkribieren sind, zwei bis sechs Stunden. Haben Sie für eine Forschungsfrage zehn Stunden Interviewmaterial aufgenommen, können Sie also mit ungefähr20bis 60 Arbeitsstunden für die Transkription rechnen. Es handelt sich hierbei um Richtwerte, aber selbst bei einem relativ wenig aufwändigen Datenmaterial ist stets empfehlenswert, Hilfstools für die Transkription zu verwenden. Es gibt Software- und Hardware-Tools, die Ihnen helfen und den Prozess beschleunigen. Unterschätzen Sie den Aufwand trotzdem nicht!
Transkriptionshardware
Professionelle Transkribierer arbeiten meist mit guten Kopfhörern und Fußpedalen. Letztere werden verwendet, um Audiodateien leichter abzuspielen und zu stoppen, während Sie mit den Händen weiter tippen können. Ein einstündiges Interview umfasst abgetippt zwischen 20 und 35 DIN A4-Seiten. Sie müssen die Audiodatei tausende Male starten und stoppen. Ein Fußpedal sorgt dafür, dass Sie leichter in den Arbeitsfluss geraten. Wenn Sie regelmäßig transkribieren müssen, lohnt sich die Investition! Zudem ist es empfehlenswert immer mit Kopfhörern zu transkribieren, um auch undeutlich gesprochene Wörter gut zu verstehen.
Transkriptionssoftware
Für die Transkription gibt es zwei Arten von Softwares: Softwares ohne und Softwares mit automatischer Spracherkennung.
Softwares ohne automatische Spracherkennung können verwendet werden, um Ihre Audiodateien in einem praktischen Editor durch Tastenkürzel schneller oder langsamer abzuspielen, oder die letzten Sekunden zu wiederholen. Meist können so auch Zeitcodes oder Sprecher eingefügt werden.
Unterschätzen Sie nicht, wie oft Sie eine Aufnahme abspielen und pausieren müssen, wenn Sie transkribieren. Die Beschleunigung dieses Prozesses durch Tastenkürzel kann viel Zeit sparen. Das Tippen selbst bleibt Ihnen allerdings nicht erspart.
Hier einige Anbieter von Transkriptionssoftwares ohne automatische Spracherkennung:
oTranscribe ist kostenlos und bietet einen Online-Editor, in den Audio- und Videodateien verschiedener Formate hochgeladen werden können. Alle geläufigen Transkriptionsbefehle wie Pausieren, Spulen und das Einfügen von Zeitstempeln sind mit Kürzeln versehen, und so kann parallel zur Audiospur getippt werden.
Express Scribe ist ein günstiges Programm, das alle grundlegenden Funktionen für das Transkribieren bietet. Hier wird ein Editor heruntergeladen und es stehen Ihnen ebenfalls Tastenkombinationen für das Abspielen, Pausieren und die Geschwindigkeitsregulierung zur Verfügung. Es ist zudem möglich ein Fußpedal mit dem Editor zu verbinden. Die Testversion ist kostenlos.
Transcriva (Mac): Genau wie bei Express Scribe können Sie mit Transcriva Audioaufnahmen einfach beschleunigen oder verlangsamen. Darüber hinaus verfügt Transcriva über eine eigene Aufnahmefunktion, die es ermöglicht, schon während der Aufnahme zu transkribieren. Transcriva speichert Ihre Arbeit zwischendurch automatisch. Das Programm bietet ebenfalls eine kostenlose Testversion an.
Softwares mit automatischer Spracherkennung haben gemein, dass sie automatische Transkripte erstellen. Sie müssen die Audioaufnahmen also nicht mehr manuell abtippen.
Hier einige Anbieter von Transkriptionssoftwares mit automatische Spracherkennung:
Dragon NaturallySpeaking ist eine Diktiersoftware, die Sie mit Ihrer Stimme trainieren können. Nachdem die Software trainiert wurde, können Sie Texte nahezu fehlerfrei diktieren. Der Transkriptionsprozess besteht also darin, dass Sie Interviews nachsprechen. Auch Befehle wie 'Punkt', 'Neuer Absatz' und 'unterstreichen' werden erkannt. Diktieren kann viel Zeit sparen und funktioniert durch die Anpassung an Ihre Sprachweise sehr gut, allerdings müssen Sie Zeit investieren, um die Software zu trainieren. Auch ist es notwendig bestimmte „Diktier“-Techniken zu lernen. Das Diktieren selbst kostet meist mehr Zeit, als das ursprüngliche Audio lang ist. Je nachdem welches Produkt Sie von Dragon genau testen möchten, stehen Ihnen auch hier Testversionen zur Verfügung.
AmberScript hat eine Software mit automatischer Spracherkennung entwickelt. Audio- und Videodateien können einfach hochgeladen werden und innerhalb weniger Minuten wird automatisch ein Transkript erstellt, das Sie bei Bedarf im Online-Editor bearbeiten können. Dieser bietet ebenfalls verschiedene praktische Kürzel an. Anschließend können Sie Ihr Transkript in verschiedenen Formaten herunterladen. Die automatisch erstellten Transkripte sind natürlich nicht perfekt, und vor allem Fachbegriffe und Namen müssen noch einmal angepasst werden. Bei entsprechender Audioqualität erreicht AmberScript jedoch eine Richtigkeit von bis zu
95%. Statt vier bis sechs Stunden dauert das Transkribieren auf diese Weise nur noch ein bis zwei Stunden.
Die Transkriptionssoftware von AmberScript können Sie für 30 Audiominuten gratis testen.
3.2. In Auftrag geben
Wenn Sie keine Zeit haben selbst zu transkribieren, gibt es natürlich auch die Möglichkeit, Ihre Transkription bei einer Agentur in Auftrag zu geben. Auf dem deutschen Markt gibt es unzählige Unternehmen die Transkription anbieten. AmberScript bietet beispielsweise neben ihrer Transkriptionssoftware auch an, die Transkription komplett zu übernehmen. Die automatischen Transkripte werden dann innerhalb von 4 - 5 Tagen von Transkribierern korrigiert.
Das Outsourcen der Transkription ist natürlich teurer als selbst zu transkribieren. Der Preis wird anhand der Länge einer Audiodatei bestimmt. Faktoren wie Anzahl der Sprecher, Verständlichkeit, Klangqualität, Akzente, wortgetreue vs. geglättete Transkription und die Inklusion von Zeitcodes sind für viele Agenturen Gründe, den Preis pro Audiominute zu erhöhen. Es gibt auch die Option Freunde, oder Freiberufler zu beauftragen, was meist günstiger ist. Jedoch riskieren Sie dabei, dass die Transkription nicht rechtzeitig fertig wird, oder die Qualität niedriger ist als erwartet.
Der Vorteil des Outsourcen der Transkription ist die Zeitersparnis. Zu beachten ist jedoch, dass Dritte mit Ihrer Recherche meist nicht vertraut sind. Technische Begriffe oder Produktnamen werden deshalb auch von professionellen Schreibkräften nicht unbedingt korrekt transkribiert. Es sollte also auch für extern erstellte Transkripte Korrekturzeit eingeplant werden!
4. Fazit
Transkription ist ein wesentlicher Bestandteil des wissenschaftlichen Arbeitens. Nehmen Sie den Prozess der Transkription nicht auf die leichte Schulter und rechnen Sie damit, dass Transkription mehr Zeit in Anspruch nimmt, als Sie zuerst einschätzen. Es gibt verschiedene Hilfsmittel, die Ihnen helfen können den Prozess zu beschleunigen und Zeit zu sparen. Planen Sie genug Zeit für den Prozess der Transkription ein, besorgen Sie sich die nötigen Hilfsmittel und bringen Sie vor allem Geduld mit, um ein gutes Fundament für Ihre Forschungsarbeit zu legen.