2. Freiwilligkeit und informierte Einwilligung gewährleisten
Das Bundesdatenschutzgesetz fordert im §51 den Nachweis der Verantwortlichen über die Einwilligung der beforschten Person. Sie ist in einer klaren und einfachen Sprache zu formulieren und nur gültig, wenn sie auf einer freien Entscheidung der Beforschten beruht. Das Einverständnis kann von den Betroffenen jederzeit widerrufen werden, wobei Sie die bis zu diesem Zeitpunkt erhobenen Daten dennoch weiterverwenden dürfen (vgl. §51 Abs. 3 BDSG). Forschende verpflichten sich zu einer Transparenzsicherung gegenüber den Teilnehmenden, die durch ein Informationsschreiben gewährleistet wird (vgl. Art. 13 DS-GVO). Es enthält u.a. den Namen und die Kontaktdaten der Wissenschaftler/-innen, den Zweck der erhobenen Daten, die Empfänger/-innen der personenbezogenen Daten, die Kriterien für die Speicherdauer der Daten sowie das Recht auf Widerruf der Einwilligung.
Die detaillierte forschungsleitende Fragestellung müssen Sie somit nicht in der exakten Formulierung offenlegen, der Inhalt und das Ziel der Datenauswertung sind jedoch obligatorische Bestandteile einer informierten Einwilligung. Vor der Vollendung des 16. Lebensjahres muss die Zustimmung – zusätzlich zu der des Beforschten – über einen Träger der elterlichen Verantwortung erfolgen (vgl. Art. 8 DSGVO). Vorlagen für die Formulierung einer Einverständniserklärung finden Sie beispielsweise beim Verbund Forschungsdaten Bildung oder in Helfferich 2011, S. 202-204.
3. Schutz vor Beeinträchtigung und Schädigung wahren
Qualitative Forschung beinhaltet das Risiko, den Forschungsteilnehmenden und den Forschenden selbst auf verschiedenen Ebenen Schäden oder Belastungen zuzufügen (vgl. RatSWD 2017, S. 8; Kämper 2016, S. 343). Die Reflexion forschungsethischer Fragen fordert somit „die Abwägung von Risiken, die den untersuchten Personen entstehen können, und das Ergreifen von Maßnahmen, um diese Risiken zu reduzieren und Schaden zu vermeiden“ (Unger et al. 2014, S. 24). Durch den potentiellen Missbrauch von Daten können beispielsweise der Verlust der Privatsphäre erfolgen oder in medizinischen Disziplinen körperliche Schäden entstehen. Als Vergleichsmaßstab führen Döring et al. die „üblichen Befindlichkeitsschwankungen im Alltag“ an (Döring et al. 2016, S. 127).
Es sei zulässig, die Teil-nehmenden mit problematischen Themen zu konfrontieren, von denen auszugehen ist, dass diese auch eine Thematisierung im Alltag der Probanden finden könnten (z.B. Krankheit oder Arbeitslosigkeit). Besondere ethische Sensibilität sollten Sie in der Forschung mit vulnerablen Personen entwickeln, deren Einwilligungsfähigkeit potentiell eingeschränkt sein kann. Individuen mit einem geringen Bildungsgrad oder niedrigem sozialen Status, verminderter Intelligenz oder psychischen Erkrankungen, mit Zuschreibung zu einer gesellschaftlichen Randgruppe sowie Kinder und altersschwache Personen bedürfen besonderer Sorgfalt bei der Gewährleistung einer transparenten informierten Einwilligung (vgl. Unger et al. 2014, S. 28; Bertram et al. 2015, S. 3; Döring et al. 2016, S. 124). Auch die Forschenden selbst können durch unerwartet prekäre Interview- und Beobachtungssituationen oder die intensive Auseinandersetzung mit Einzelschicksalen Belastungen erfahren.
4. Anonymisierung und Vertraulichkeit der Daten garantieren
Um die Beforschten vor Beeinträchtigungen und Schädigungen zu schützen, bieten sich in erster Linie anonyme Erhebungsmethoden wie schriftliche Fragebögen an (vgl. Döring et al. 2016, S. 128). In Ihren qualitativen Forschungsprojekten schließen die methodischen Zugänge wie beispielsweise ein Face-to-Face-Interview eine sofortige Anonymisierung aus. Sie sollten bereits bei der Planung des Forschungsdesigns als auch zum Zeitpunkt der Datenverarbeitung angemessene Vorkehrungen treffen, um die Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten. Dies impliziert das Ziel, so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben und zu verarbeiten (vgl. §71 BDSG).
Vermeiden Sie daher die Erhebung zahl-reicher soziodemografischer Angaben nur aufgrund potentiell denkbarer Analysemöglichkeiten und identifizieren Sie die zwingend für die Forschungsfrage erforderlichen Informationen im Vorfeld. Die Rohdaten müssen Sie schließlich sorgfältig archivieren und getrennt von weiteren personenbezogenen Daten aufbewahren (vgl. §50 BDSG). Transkripte, unterschriebene Einverständniserklärungen und Audiodateien werden in separaten Speichermedien gesichert und vor dem Zugriff Dritter durch angemessene Vorkehrungen wie Passwortschutz und Schließsysteme geschützt. Die Anonymisierung der personenbezogenen Daten sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt (z. B. gleich bei der Transkription) durch das Ersetzen von Kürzeln und Pseudonymen erfolgen.
5. Integrität sichern
Empirisch Forschende stehen in der Pflicht, das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ver-ankerte Recht auf Forschungsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) verantwortungsvoll zu vereinbaren (vgl. RatSWD 2017, S. 8). Dieser Forderung folgend müssen Ihre Studienergebnisse „ohne verfälschende Auslassung von wichtigen Ergebnissen dargestellt“ werden (DGS & BDS 2017 §1). Das Fundament für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Ihnen und den Probanden im Erhebungsprozess bildet zudem die „grundsätzliche Akzeptanz der von Betroffenen erzählten Geschehnisse“ (Unger et al. 2014, S. 43). Verstöße gegen die Gesetzesgrundlagen sind in §41 bis §43 des Bundesdatenschutzgesetztes geregelt. Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den juristischen Vorgaben und ethischen Richtlinien sowie eine kontinuierliche Reflexion des eigenen Vorgehens in Forscherteams oder Kolloquien tragen zu Ihrem eigenen Schutz und dem der Forschungsteilnehmenden bei und stärken die Entwicklung Ihrer selbstständigen Urteilsfähigkeit.
Literaturverzeichnis
Bertram, Tony; Formosinho, Julia; Gray, Collette; Pascal, Chris; Whalley, Margy (2015): EECERA Ethi-cal Code for Early Childhood Researchers. Online verfügbar unter https://www.eecera.org/about/ethical-code/, zuletzt geprüft am 25.05.2018.
Deutscher Bundestag: Bundesdatenschutzgesetz. BDSG (neu), vom 25.05.2018. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil I Nr. 44, ausgegeben zu Bonn am 5. Juli 2017. Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Da-tenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU - DSAnpUG-EU) vom 30. Juni 2017.
DGS & BDS (2017): Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS). Online verfügbar unter http://bds-soz.de/BDS/fachgruppen/ethik/Ethik-Kodex_Satzung_141003.pdf, zuletzt geprüft am 25.05.2018.
Döring, Nicola; Bortz, Jürgen; Pöschl, Sandra (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. 5. vollst. überarb., aktualisierte und erw. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer.
Europäische Union: Datenschutz-Grundverordnung. DSGVO, vom 25.05.2018. Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).
Kämper, Eckard (2016): Risiken sozialwissenschaftlicher Forschung? Forschungsethik, Datenschutz und Schutz von Persönlichkeitsrechten in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften. RatSWD Working Paper Series. Berlin (Nummer 255). Online verfügbar unter https://www.ratswd.de/dl/RatSWD_WP_255.pdf, zuletzt geprüft am 25.05.2018.
Parlamentarischer Rat: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist.
RatSWD (2017): Forschungsethische Grundsätze und Prüfverfahren in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Berlin (Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten Output 9, 5). Online verfügbar unter https://www.ratswd.de/dl/RatSWD_Output9_Forschungsethik.pdf, zuletzt geprüft am 25.05.2018.
Unger, Hella von; Narimani, Petra; M´Bayo, Rosaline (Hg.) (2014): Forschungsethik in der qualitativen Forschung. Reflexivität, Perspektiven, Positionen. Wiesbaden: Springer VS.
https://www.dgpuk.de/sites/default/files/Ethik-Kodex-der-DGPuK
https://www.socialpolitik.de/De/ethikkodex
https://www.dfjv.de/ueber-uns/ethik-kodex
https://www.dgaum.de/wir-ueber-uns/ethik-kodex-der-arbeitsmedizin/
https://www.dgps.de/index.php?id=85
https://www.soz.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/inst_soziologie/DGS_Ethik.pdf
http://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Satzung_etc/Ethikkodex_2010.pdf
https://www.forschungsdaten-bildung.de/get_files.php?action=get_file&file=fdbinfo_4.pdf