Das Thema der Dissertation eingrenzen

Dr. Sven Arnold

Promotion

Selbstverständlich ist eine Dissertation umfangreicher und komplexer als eine Bachelor- oder Masterarbeit. Zweifellos richten sich an eine Dissertation auch höhere Ansprüche, da sie einen Forschungsbeitrag darstellen und neue Erkenntnisse, Zugänge oder Zusammenhänge zutage fördern soll. Aber bedeutet das auch, dass das Thema umfangreich und komplex sein muss?

Die Ursache für manche nicht zu Ende geschriebene Dissertation liegt darin, dass das Thema zu groß und die Auseinandersetzung mit zu vielen Teilaspekten erforderlich ist. Es ist daher notwendig, ein Thema so einzugrenzen, dass es sowohl den Anforderungen an die Textsorte „Dissertation“ genügt als auch für Sie praktisch machbar ist.

Was ist machbar?

Was Sie leisten können, hängt nicht nur von Ihrem fachlichen Wissen und Ihrer methodischen Kompetenz ab, sondern auch von einer Reihe weiterer, zum Teil äußerer Faktoren.

Wenn Sie im Rahmen eines Graduiertenprogramms, mit einem Stipendium versehen und ohne weitere Verpflichtungen eine Dissertation schreiben, dann können Sie vermutlich einen anderen Aufwand betreiben und eine andere Arbeit schreiben, als wenn Sie die Dissertation mit beruflichen und familiären Verpflichtungen vereinbaren müssen.

Daher ist es wichtig, dass Sie für sich im Vorfeld klären, was Sie neben der Arbeit an der Dissertation noch leisten wollen oder müssen. Dadurch bekommen Sie ein Gefühl dafür, wie Ihr Vorhaben konturiert sein muss, damit es realistisch mit Ihren Lebensumständen vereinbar ist.

Dies betrifft unter anderem auch die Methode, die Sie wählen. Wenn Sie sich beispielsweise für eine empirische Arbeit entscheiden, dann sollten Sie im Vorfeld abschätzen, auf welche Weise Sie Ihre Daten gewinnen, wie viele Daten zusammenkommen werden und ob und wie Sie diese bewältigen können. Nicht von ungefähr wird empirische Forschung häufig als Forschungsprojekt in einem Team durchgeführt, in dem Personen verschiedene Stellen innehaben und die Arbeit verteilt werden kann.

 

Vom Thema zum thematischen Fokus

Jedes Thema enthält das Potenzial unendlich vieler möglicher Fragen und Forschungsansätze. Scheuen Sie sich nicht, einen Punkt unter dem breiten thematischen Dach auszuwählen und gewissermaßen heranzuzoomen. Je näher Sie auf einen bestimmten Punkt zoomen, desto größer wird er und desto mehr Teilaspekte werden sichtbar.

Überlegen Sie zum Beispiel, ob Sie für das, was Sie mit Ihrer Arbeit zeigen wollen, wirklich den Vergleich von vier Unternehmen benötigen oder ob Sie im Kern dasselbe auch anhand von drei oder sogar nur zwei Unternehmen zeigen können. Ob Sie das Phänomen, mit dem Sie sich befassen, im 16., 17. und 18. Jahrhundert untersuchen oder ob die Untersuchung allein anhand des 16. und 17. Jahrhunderts ausreichend ergiebig für Ihre Thesen ist. Ob Sie 500 ausgefüllte Fragebögen benötigen oder ob Sie auch bei 200 Fragebögen bereits eine substanzielle Aussage treffen können.

 

Welche Eingrenzungsmöglichkeiten gibt es?

 

Eingrenzungskriterium

 

Beispiel

 

zeitlich

 

  • zwischen 1995 und 2005
  • seit 1990

regional

 

  • im Großraum Hamburg
  • in der EU
  • im Nil-Delta

nach Branche

 

  • im Gaststättengewerbe
  • in der Filmproduktion

nach Zielgruppen

 

  • alleinerziehende Mütter
  • Jugendliche mit Migrationshintergrund
  • ehemalige Angehörige der NVA

nach Perspektiven

 

  • aus der Sicht von Betroffenen / Angehörigen
  • aus der Sicht von Produzenten / Konsumenten
  • Bedeutung für den Gesetzgeber / die User / die Personalentwicklung etc.

nach Teilaspekten

 

  • in Bezug auf die Produktionskosten / Energieeinsparung / Kundengewinnung / Transportmöglichkeiten / Nachhaltigkeit / Sicherheit etc.

nach Theorieansätzen

 

  • auf der Grundlage der Arbeiten von XY

nach Quellen

 

  • in der französischen Presse
  • in Lyrikanthologien des literarischen Expressionismus
  • in sozialen Netzwerken

anhand eines Beispiels
(Fallstudie)

 

  • am Beispiel von XY

anhand eines Vergleichs

 

  • im Vergleich zu Lehrkräften ohne Social-Media-Auftritt
  • im Vergleich zur Praxis in Schweden
  • im Vergleich zu herkömmlichen Trocknungsverfahren

 

 

Müssen Sie die Eingrenzung allein erarbeiten?

Keineswegs. Sinnvoller ist es, wenn Sie sich über Eingrenzungsmöglichkeiten Gedanken machen und diese dann mit Ihren Doktoreltern diskutieren. Häufig sind die Betreuenden weitaus radikaler in den Eingrenzungsüberlegungen – nicht zuletzt aus der Erfahrung heraus, dass zu weite Themen schwieriger zu bewältigen sind als eindeutig fokussierte Themen.

 

Lassen Sie etwas übrig

Die Dissertation als Beitrag zu einem Diskurs muss (und kann) weder letztgültig sein noch muss sie ein Thema vollständig in allen Facetten erschöpfen. Bedenken Sie daher zwei grundlegende Aspekte bei der Einrichtung und Eingrenzung Ihres Themas:

  1. Es geht in einer Dissertation weniger um Breite als um Tiefe. Auch anhand eines kleineren Ausschnitts müssen Sie zeigen, dass Sie substanziell wissenschaftlich arbeiten können.
  2. Lassen Sie für sich und andere noch etwas übrig. Nicht alles, was man zu einem Thema sagen könnte, muss in diese eine Dissertation. Sammeln Sie vielmehr Teilaspekte am Wegesrand Ihrer Dissertation, die Sie – parallel oder später – zum Beispiel für kleinere Fachartikel oder Konferenzbeiträge aufbereiten können.
     

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