Exzerpte anfertigen erleichtert die Arbeit

Dr. Sven Arnold

Promotion

Wie halten Sie fest, was in einer für Ihre Doktorarbeit relevanten Quelle wichtig ist? Unterstreichen Sie zentrale Sätze, markieren Sie Stellen farbig, kleben Sie Post-its daneben? Viele Promovierende gehen einen Schritt weiter und fertigen mit großem Gewinn Exzerpte zu den zentralen Quellen an. Was ist ein Exzerpt genau und wie setzen Sie es sinnvoll in Ihrem Arbeitsprozess ein?

Was ist der Zweck von Exzerpten?

Mit Exzerpten bereiten Sie die wichtigen Quellen für Ihre Arbeit auf – im Idealfall sogar so, dass Sie die Quelle aus der Hand legen und im Weiteren an dessen Stelle mit Ihrem Exzerpt arbeiten können. Da keine Quelle eigens für Ihre Arbeit geschrieben wurde, stehen in jeder Quelle naturgemäß auch mehr oder weniger Informationen, die für Ihre Arbeit nicht von Bedeutung sind. Das Ziel des Exzerptes ist es daher, in ihm ausschließlich die für Ihre Arbeit wichtigen Aspekte aus dieser Quelle festzuhalten.

 

Welche Quellen werden exzerpiert?

Es ist verführerisch, Quellen, die man gefunden hat, erst einmal zu exzerpieren, das heißt, sie in Ruhe und gründlich zu lesen und Auszüge der wichtigen Stellen daraus anzufertigen. Doch je komplexer Ihre Arbeit ist und je mehr Quellen Sie entsprechend bei Ihrer Recherche finden, desto unverhältnismäßiger wird es, diese Quellen sämtlich zu exzerpieren. Denn Exzerpieren ist aufwendig und zeitintensiv, es verlangt langsames Lesen und sorgfältiges Überlegen. Daher lohnt es sich, diese Arbeit ausschließlich für die zentralen und relevanten Quellen durchzuführen, nicht jedoch für die Quellen am Rande, die Sie zur Kenntnis nehmen sollten, die Sie aber nicht zu durchdringen brauchen, um sie für Ihre Arbeit fruchtbar zu machen (s. hierzu „Die Relevanz der Quellen bestimmen“).

 

Welche Qualität müssen Exzerpte haben?

Gerade bei komplexen Texten wie Dissertationen kann es vorkommen, dass zwischen dem Studium einer wichtigen Quelle und dem Einarbeiten derselben in den eigenen Text eine längere Zeit vergeht, sei es, weil sich dieser Textteil erst nach dem Lesen mehrerer Quellen schreiben lässt, sei es, weil eine kontinuierliche Arbeit an diesem Textteil durch andere Verpflichtungen eingeschränkt ist. Das bedeutet, das Exzerpt muss so aussagekräftig sein, dass Sie daraus auch noch nach längerer Zeit sowohl ein klares Bild der Quelle gewinnen können als auch davon, was aus dieser Quelle aus welchem Grund für Ihre Dissertation bedeutsam ist. Wenn Sie trotz des angefertigten Exzerpts das Gefühl haben, Sie sollten besser noch einmal in der Originalquelle nachlesen, dann ist dies ein Indiz dafür, dass das Exzerpt nicht klar genug ist.

 

Warum ist ein Exzerpt mehr als eine Zusammenfassung?

In meinen Workshops höre ich beim Thema „Exzerpt“ von Teilnehmenden manchmal die Auffassung, zu exzerpieren bedeute, die Inhalte einer Quelle zusammenzufassen. Es ist jedoch wichtig, zwischen Zusammenfassung und Exzerpt zu unterscheiden. Denn diese beiden Textarten beantworten zwei verschiedene Fragen.

  • Die Zusammenfassung fragt: „Was ist in dieser Quelle wichtig?“
    Hier wird die Perspektive des Autors oder der Autorin der Quelle eingenommen: „Was will er oder sie mir sagen?“
     
  • Das Exzerpt hingegen fragt: „Was ist in dieser Quelle für meine Arbeit/Dissertation wichtig?“
    Hier wird aus der Perspektive der Promovierenden gefragt: „Was will ich vom Autor oder der Autorin dieser Quelle wissen?“
     

Wie sieht ein Exzerpt aus und was genau steht darin?

Wie Sie das Exzerpt anlegen und gestalten, ob Sie es mit der Hand oder am Computer schreiben, steht Ihnen völlig frei. Es muss nur so sein, dass Sie sich darin gut zurechtfinden und gut damit arbeiten können. Sie sind in Ihrem Exzerpt niemandem Rechenschaft schuldig und müssen es auch niemandem zeigen. Es ist ein Arbeitsmittel, das Sie sich selbst zum eigenen Gebrauch schaffen.

Allgemein zu empfehlen ist jedoch, dass Sie für jedes Exzerpt einen Exzerpt-Kopf anlegen, der folgende drei Punkte enthält:

  • das Datum der Anfertigung des Exzerpts,
  • die exakte Quellenangabe des exzerpierten Textes (kann später in das Literaturverzeichnis kopiert werden) sowie
  • ein Kurztext, der in einem bis drei Sätzen den Kerninhalt des Textes zusammenfasst (zur raschen Übersicht).
     

Der Hauptteil des Exzerpts enthält vier verschiedene Textelemente:

  • Zusammenfassungen und Paraphrasierungen von Textabschnitten
    Schreiben Sie möglichst in ganzen Sätzen, damit nicht Zusammenhänge zwischen losen Stichworten oder Halbsätzen verloren gehen. Schreiben Sie in Ihren eigenen Worten, denn nur, was Sie in eigenen Worten wiedergeben können, haben Sie auch verstanden.
     
  • Wörtliche Zitate 
    Wenn Ihnen Textstellen besonders aussagekräftig, gut formuliert oder als Möglichkeit erscheinen, ein Argument von Ihnen zu bestätigen, zu veranschaulichen oder auch auszulösen, können Sie diese Stelle wörtlich übernehmen. Wie in einem wissenschaftlichen Text geben Sie das Zitat in Anführungszeichen und korrekt wieder (zum Beispiel indem Sie Auslassungen im Zitat kenntlich machen).
     
  • Ihre eigenen Kommentare, Ideen, Positionen, Gedanken, Querverweise, Aufgaben etc.
    Hier können Sie beispielsweise festhalten, warum die Aussage aus einer Quelle für Ihre Dissertation wichtig ist, warum Sie der Aussage zustimmen oder widersprechen, mit welchen anderen Quellen Sie diese Aussage verknüpft sehen oder welche Fragen diese Aussage Ihres Erachtens aufwirft.
     
  • Die Seitenzahl
    Halten Sie immer fest, auf welcher Seite oder in welchem Seitenbereich der Quelle die Aussage oder das Zitat steht, welches Sie in Ihrem Exzerpt wiedergeben. Es wäre eine frustrierende und unter Umständen auch sehr aufwendige Arbeit, wenn Sie kurz vor Abgabe der Doktorarbeit alle Seitenangaben nachrecherchieren müssten.

Für die Darstellung des Hauptteils gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Formate: das konsekutive Exzerpt und das simultane Exzerpt.

 

Das konsekutive Exzerpt

Hier schreiben Sie Paraphrasen, Zitate und Kommentare untereinander. Dabei empfiehlt es sich, die verschiedenen Textelemente grafisch voneinander zu unterscheiden, zum Beispiel durch Fettung und Kursivierung oder durch verschiedene Schrifttypen oder -farben.

Beispielausschnitt aus einem konsekutiven Exzerpt zu einem Text, in dem John Hayes den Schreibprozess erläutert:

 

Quelle

Seite

Die Schreibumgebung (The Task Environment)

Die physische Umgebung

Hierzu gehören nach Hayes der jeweils soweit schon geschriebene Text („the text the writer has produced so far“) sowie das verwendete Schreibgerät. Bzgl. des PC berichtet Hayes von Untersuchungsergebnissen, denen zufolge Texte am PC schlechter redaktionell bearbeitet würden als auf Papier. Zudem würden Studierende der Unterstufen ihre Texte zuvor weniger planen, wenn sie am PC arbeiten.

[Das klingt für mich so, als sei es schlecht, wenn Studierende die Texte zuvor weniger planen, wenn sie am PC schreiben. Aber andersherum könnte das doch auch positiv verstanden werden und dafür sprechen, dass die Hemmschwelle zum Schreiben am PC niedriger liegt, als wenn das berühmte weiße Blatt vor einem liegt.]

 

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Das simultane Exzerpt

Hier stellen Sie Wiedergaben aus der Quelle einerseits und Ihre Kommentare andererseits in zwei Spalten nebeneinander.

Beispielausschnitt aus einem simultanen Exzerpt zum selben Text von John Hayes:

 

Seite

Quelle

Kommentar

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Hierzu gehören nach Hayes der jeweils soweit schon geschriebene Text
(„the text the writer has produced so far“) sowie das verwendete Schreibgerät. Bzgl. des PC berichtet Hayes von Untersuchungsergebnissen, denen zufolge Texte am PC schlechter redaktionell bearbeitet würden als auf Papier.

Zudem würden Studierende der Unterstufen ihre Texte zuvor weniger planen, wenn sie am PC arbeiten.

Das klingt für mich so, als sei es schlecht, wenn Studierende die Texte zuvor weniger planen, wenn sie am PC schreiben. Aber andersherum könnte das doch auch positiv verstanden werden und dafür sprechen, dass die Hemmschwelle zum Schreiben am PC niedriger liegt, als wenn das berühmte weiße Blatt vor einem liegt.

 

In beiden Exzerpt-Varianten könnte der Gedanke im Kommentar später geeignet sein, die Position von Hayes im eigenen Text zu relativieren. Ob der Kommentar-Text dann eins zu eins übernommen oder anders formuliert wird, spielt im Moment des Exzerpts keine Rolle. Es kommt beim Exzerpt also noch nicht darauf an, dass die Sprache wissenschaftlich ist, wichtig ist hier nur das Festhalten des Gedankens. Das Exzerpt kann so aber später zu einer Art „Text-Steinbruch“ für die Doktorarbeit werden.

Schreiben Sie in jedem Fall – in beiden Spalten – immer ganze Sätze, verkürzen Sie Inhalte und Gedanken nicht auf Stichworte, denn diese bergen die Gefahr, dass Ihnen nach einer gewissen Zeit nicht mehr ganz deutlich ist, was genau Sie seinerzeit mit dem Stichwort meinten. Das heißt, wenn Sie sich im Durcharbeiten einer wichtigen Quelle Gedanken zu dieser Quelle machen, dann empfiehlt es sich, diese Gedanken auch in der entsprechenden Ausführlichkeit festzuhalten, damit Sie sie später leicht nachvollziehen können, anstatt sie erraten zu müssen.

Am Ende Ihres Exzerpts, im Exzerpt-Fuß, können Sie, wenn Sie mögen, Ihren persönlichen Leseeindruck festhalten. Hier können Sie sich noch einmal selbst vergewissern, wie Sie den Text verstanden haben, seine Relevanz bewerten und Ideen notieren, wie und wo Sie ihn möglicherweise in Ihrer Arbeit verwenden bzw. darauf Bezug nehmen wollen.

Das Exzerpt soll unter der Maßgabe Ihrer eigenen Fragestellung erfolgen, um schon beim Exzerpieren den Text auf Ihre eigene Arbeit zu beziehen.

Das Exzerpt ist ein Schritt, sich den Inhalt eines Textes so anzueignen, dass Sie ihn in der eigenen Doktorarbeit verarbeiten können und später, wenn es ans Schreiben geht, nicht noch einmal ganz lesen müssen.

Das Exzerpt ist ein Sprungbrett in den eigenen Text.

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