Was Sie bei einer Doktorarbeit emotional und intellektuell leisten müssen
Promovierende sind mutig: Sie beziehen öffentlich Stellung zu einem Thema, geben eigene Überlegungen und Interpretationen dazu preis. Sie begeben sich auf unbekanntes Terrain, setzen sich immer wieder neuen, ungeschützten Situationen aus und gehen Risiken ein. Sie müssen sich selbst behaupten, sich mit Kritik auseinandersetzen.
Promovieren ist insofern eng verknüpft mit der Identität und dem Selbstvertrauen der Schreibenden. Um ernsthafte Selbstwert- und Arbeitsstörungen zu vermeiden, die sich aus der prinzipiell konfliktträchtigen Situation einer Promotion ergeben können, erinnern Sie sich daran, dass Sie über die intellektuellen Voraussetzungen für die Dissertation verfügen. Dies ist Ihre wichtigste Ressource, um die notwendige Verantwortung für sich selbst übernehmen und einen adäquaten Umgang mit gegebenen Grenzen finden zu können.
- Machen Sie sich Ihre eigenen Wünsche und Ansprüche an Ihre Doktorarbeit klar.
- Identifizieren Sie Probleme, die den angemessenen Umgang mit den vorgegebenen wissenschaftlichen Normen stören oder behindern könnten.
Damit legen Sie eine zentrale Grundlage zur Entwicklung von Lösungsstrategien, um motiviert und mit Freude arbeiten, temporäre „Gefühls-Dschungel“ rasch bewältigen und den für Sie richtigen Weg zum Doktortitel mit den realistischen Möglichkeiten finden zu können.
Der eigene Anspruch an Qualität, Outcome und Nutzen der Doktorarbeit ist bei den meisten Promovierenden sehr hoch: Das Ergebnis der Arbeit soll signifikant, wenn nicht bahnbrechend für die Wissenschaft sein. Die gute Nachricht ist: Dies ist ein Irrtum.
Forschung, eine Doktorarbeit schreiben heißt nicht, DIE Heilungsmethode für Parkinson zu finden. Vielmehr geht es darum, einen kleinen, manchmal sehr kleinen Beitrag zu leisten, um den bestehenden wissenschaftlichen Kenntnisstand zu einem Thema zu erweitern.
Fünf gute Gründe, sich mit den Grenzen einer Doktorarbeit anzufreunden
Wenn Sie sich bewusst machen und für sich annehmen, dass Ihre Forschungsarbeit mit ihren begrenzten und auf einen Teilaspekt fokussierten Erkenntnissen gerade wegen dieser Begrenzung und Fokussierung sehr gut sein wird, haben Sie den Schlüssel für einen gelassenen und gleichzeitig professionellen Umgang mit Ihrer Doktorarbeit in der Hand. Mit einer solchen Haltung ist es Ihnen möglich,
- mit der eigenen Forschungsleistung zufrieden zu sein,
- Ihr Selbstwertgefühl zu wahren, da Sie wissen, dass Sie einen wertvollen Baustein zur Forschung liefern werden,
- unerwartete und auch negative Ergebnisse zu akzeptieren, da Sie verstehen, dass diese zur Forschung beitragen und wichtige neue Forschungsfragen aufwerfen,
- Ihre Dissertation als Arbeit für sich selbst zu sehen und daraus Arbeitsmotivation zu gewinnen,
- Selbstzweifel zu bewältigen, den Zweifel sogar als Ihren Freund zu begrüßen, denn er bringt Sie mit seinen Anregungen zum Nachdenken weiter.
Mit einer solchen Einstellung unterstützen Sie sich selbst dabei, sich Probleme im Forschungsprozess leichter einzugestehen und sich Verbündete zu suchen, weil Sie erkennen, dass es anderen Promovierenden ähnlich geht wie Ihnen. Machen Sie sich klar, dass Sie Ihr Bestes geben werden, ohne perfekt zu sein. „Lücken“, die Sie in Ihrer Doktorarbeit identifizieren, sind Chancen und Möglichkeiten für weitere Forschungsprojekte. Vor diesem Hintergrund wird es Ihnen leichter fallen, zur gegebenen Zeit loszulassen und Ihre Dissertation abzugeben, da Sie erkennen, dass Sie genug geschrieben haben und die Punkte X, Y, Z für Ihre Arbeit einfach nicht mehr relevant sind.