Wie Sie Ihren Promotionsalltag achtsam gestalten können
MBSR empfiehlt eine Meditation von mindestens 30 Minuten täglich. Meditationen in diesem zeitlichen Umfang in ihrem täglichen Promotionsalltag zu verankern, fällt vielen Promovierenden zunächst schwer. Die gute Nachricht ist, dass Sie bereits mit kleinen Übungen von wenigen Minuten auf lange Sicht Achtsamkeit erlernen. Diese Übungseinheiten können Sie auf den ganzen Tag verteilen.
Achtsamkeit praktizieren heißt, zu Ihren alltäglichen Routinen eine neue Haltung zu entwickeln, indem Sie jeden einzelnen Aspekt Ihres Handelns wahrnehmen, ohne ihn zu bewerten. Achtsamkeit kann in diesem Zusammenhang auch bedeuten, die Routine Ihrer alltäglichen Handlungen zu unterbrechen und diese aus einer anderen Perspektive zu betrachten: Ändern Sie bewusst einen oder mehrere Schritte in den sonst üblichen Abläufen. Werden Sie sich der Auswirkungen dieser Änderungen auf Ihren Körper und Ihre Gefühle bewusst.
Es gibt viele Gelegenheiten, die Sie nutzen können, um Achtsamkeit in den Alltag zu integrieren:
Morgendliches Aufstehen
Beobachten Sie Ihre Rituale und Abläufe beim Aufstehen. Wie kommen Sie von der liegenden in die aufrechte Haltung? Wie fühlt es sich an, die Wärme unter der Bettdecke zu verlassen? Wie lange sitzen Sie auf dem Bettrand? Mit welchem Bein stehen Sie zuerst auf? Räkeln und strecken Sie sich? Wie ist Ihre Körperhaltung, wenn Sie auf dem Bettrand sitzen? Oder springen Sie gleich aus dem Bett?
Wechsel in der Routine: Bleiben Sie fünf Minuten länger liegen als sonst. Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem. Atmen Sie bewusst ein und langsam wieder aus. Zählen Sie beim Einatmen bis zwei, beim Ausatmen bis fünf. Halten Sie dann die Luft einen Moment an. Beginnen Sie dann wieder von vorn. Wenn Gedanken kommen, nehmen Sie sie wahr und lassen Sie sie einfach weiterziehen, ohne sie zu bewerten. Konzentrieren Sie sich wieder auf Ihren Atem.
Duschen
Konzentrieren Sie sich auf das Wasser und Ihre Duschlotion (anstatt Ihre Gedanken z. B. zu einer anstehenden Aufgabe schweifen zu lassen). Wie fühlt sich das Wasser auf Ihrer Haut an? Wie ist der Wasserstrahl? An welchen Stellen Ihres Körper fließt das Wasser wie hinunter? Wie ist die Wassertemperatur? Wie empfinden Sie Ihre Duschlotion? Produziert sie Schaum in der für Sie angenehmen Weise? Wie ist der Geruch? Wie schäumen Sie sich ein (mit einem Schwamm, mit der Hand, einem Tuch o. Ä.)?
Wechsel in der Routine: Probieren Sie eine andere Lotion aus, konzentrieren Sie sich auf den Geruch und nehmen Sie wahr, welche Auswirkungen dieser auf Ihr Empfinden hat. Wechseln Sie die Wassertemperatur und spüren Sie, was passiert.
Essen und Trinken
Konzentrieren Sie sich auf die äußere Erscheinung und den Geschmack Ihres Essens oder Ihres Getränks (anstatt auf die Zeitung oder den Fernseher). Nehmen Sie die Form und die Farben der Speisen wahr. Lassen Sie den Geruch auf sich wirken. Welchen Bestandteil Ihres Gerichts oder welches Gewürz riechen Sie besonders deutlich? Beobachten Sie sich bei Ihrem Essverhalten. Essen Sie langsam. Kauen Sie genüsslich und nehmen Sie die Veränderung des Geschmacks und der Konsistenz in Ihrem Mund wahr, bevor Sie die Speise hinunterschlucken.
Wechsel in der Routine: Essen Sie mit der linken anstatt mit der rechten Hand. Wechseln Sie die Hand für das Besteck.
Unterwegs
Nehmen Sie auf dem Weg in die Universität, zu Ihren Betreuenden, zum Kolloquium und zu anderen Orten Ihres Alltags (z. B. Markt, Schule, Firma) bewusst die frische Luft wahr. Achten Sie auf die Umgebungsgeräusche auf Ihrem Weg. Wodurch entstehen sie? Welches Geräusch ist das lauteste? Welche Geräusche nehmen Sie im Hintergrund wahr? Entdecken Sie die Ihren Weg begleitenden Gebäude und Pflanzen. Nehmen Sie wahr, wie sie sich im Laufe der Jahreszeiten in Gestalt, Farbe und Geruch verändern.
Wechsel in der Routine: Wechseln Sie die Art, um zu Ihren alltäglichen Orten zu gelangen, fahren Sie mit dem Fahrrad anstatt mit dem Auto, gehen Sie (ggf. eine Teilstrecke) zu Fuß, anstatt den Bus zu nehmen. Machen Sie täglich einen zusätzlichen Spaziergang von zehn Minuten an der frischen Luft.
Sieben gute Gründe für Achtsamkeit beim Schreiben Ihrer Dissertation
- Sie handeln selbstbestimmter und selbstbewusster.
- Sie lassen sich nicht von negativen Gedanken einnehmen.
- Sie fühlen sich psychisch-emotionalen Belastungen besser gewachsen.
- Sie nehmen Warnsignale für Überforderung rechtzeitig wahr (Gefühlsausbrüche, Desinteresse, Zynismus o. Ä.) und sind in der Lage, aktiv einem eventuell drohenden Burnout zu begegnen.
- Sie gehen geduldiger mit sich selbst um.
- Sie halten selbst gesteckte Grenzen ein und erweitern sie, wenn es passt.
- Sie entwickeln mehr Stabilität und bewahren sich Ihre Freude am Forschen und Schreiben.
Das steigende Interesse am Thema „Achtsamkeit“ hat neben dem umfangreichen Angebot an MBSR-Kursen eine Vielzahl von Print- oder Online-Ratgebern hervorgebracht. Auch Apps werden angeboten, einige davon kostenlos. Empfohlen sei hier zum Beispiel die kostenlose Achtsamkeits-App, die geführte oder freie Meditationen in unterschiedlichen zeitlichen Umfängen anbietet, oder die Glocke der Achtsamkeit, die mit einem Klangschalen-Signal und -Bild zu von Ihnen selbst definierten Zeiten an Achtsamkeit erinnert. Auch und gerade solche kleinen Momente helfen, Achtsamkeit zu lernen.
Achtsamkeit hilft Ihnen, im gesamten Promotionsverlauf selbstsicher und gesund zu bleiben, die für Sie richtige Balance zwischen Dissertation, sozialen Kontakten, Beruf und Freizeit zu finden und die Promotion nach Ihren individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen selbstfürsorglich zu managen.
[1] Kabat-Zinn, Jon (1990/2013): Gesund durch Meditation. Droemer Knaur, München.
[2] Hölzel, Britta (2015): Mechanismen der Achtsamkeit. Psychologisch-neurowissenschaftliche Perspektiven. In: Hölzel, Britta & Brähler, Christine (Hrsg.): Achtsamkeit mitten im Leben. Anwendungsgebiete und wissenschaftliche Perspektiven. O. W. Barth, München, S. 43–77.