Viele Tipps im Internet zum Schreiben einer Bachelor- oder Masterarbeit sind auf die Geistes- und Sozialwissenschaften zugeschnitten. Dieser Text hingegen richtet sich speziell an Wirtschaftsinformatiker und bezieht sich auf die Forschungsmethoden dieses Faches. Als Wirtschaftsinformatiker haben Sie beim Schreiben einer Abschlussarbeit einige Freiheitsgrade. So können Sie aus unterschiedlichen Forschungsansätzen, die wir im Weiteren vorstellen, einen Typ aussuchen, der Ihnen zusagt. Für jeden dieser Typen stellen wir eine Beispielgliederung vor, mit der Sie dann ein Gerüst haben, um Ihre Bachelorarbeit oder Masterarbeit zu strukturieren.
Der Aufbau einer gut gegliederten Arbeit kann mit einem Haus verglichen werden. Das Fundament bildet die Einleitung, die mit der Zielsetzung und Forschungsmethodik den Rahmen der Arbeit vorgibt. Das begrifflich-konzeptionelle Fundament für die Arbeit liefert die Diskussion des theoretischen Hintergrunds in Kapitel 2. Das begrifflich-konzeptionelle Fundament muss passgenau zur Zielsetzung der Arbeit sein. Das heißt, es sollen nur die Konzepte diskutiert werden, die unmittelbar relevant für die Arbeit sind, nicht mehr und nicht weniger. Die einzelnen Teile des Praxisteils der Arbeit lassen sich als inhaltliche Säulen, die den eigenen Beitrag (Eigenanteil) der Arbeit widerspiegeln, auffassen. Sie sollen passgenau auf das Fundament aufsetzen. Den Abschluss bildet mit der kritischen Reflexion und dem Ausblick das Dach. Hier wird auf die verschiedenen Hauptkapitel wieder Bezug genommen.
Tipp: Übernehmen Sie die oben dargestellte Standardgliederung nicht unreflektiert. Die Gliederung für den Praxisteil kann so für Ihre Arbeit passen, muss aber nicht. Versuchen Sie nicht Ihre Arbeit in dieses „Schema zu pressen“, wenn es nicht passen sollte.
Da Studierende relativ häufig Probleme mit der initialen Gliederung Ihrer Arbeit haben, finden sich nachfolgend ein paar Mustergliederungen für verschiedene Ansätze / Typen von Arbeiten. Da, wie besprochen, eine Gliederung immer in Abhängigkeit vom Thema und der Zielsetzung der Arbeit selbst gewählt wird, umfassen die nachfolgenden Vorschläge mehrere Typen von Arbeiten, die gewissermaßen repräsentativen Charakter besitzen sollen.
Arbeiten, die sich mit der Verbesserung eines Zustands beschäftigen, beispielsweise mit einer Geschäftsprozessoptimierung, finden sich relativ häufig bei studentischen Projekt- und Bachelorarbeiten in der Wirtschaftsinformatik. Für solche Arbeiten bietet sich die bereits diskutierte Gliederung an, die nachfolgend in Kurzform wiedergegeben ist.
Ob und in welcher Form eine Implementierung und/oder Evaluation im Rahmen einer solchen Arbeit erfolgt, ist situationsspezifisch zu bewerten. Bei manchen Arbeiten ist die Zielsetzung bereits erreicht und die Tiefe der Arbeit ausgeschöpft, wenn ein Soll-Konzept abgeleitet wurde. Bei anderen Arbeiten wird erst durch die Umsetzung und/oder die Evaluation des Soll-Konzepts ein angemessener Erkenntnisgewinn erzielt.
Arbeiten, in denen eine Kosten-Nutzen-Analyse bzw. -Bewertung im Vordergrund steht, haben oftmals einen vergleichenden Charakter. Bei einer solchen Arbeit kann es sich beispielsweise um eine Evaluation verschiedener Softwareprodukte anhand vorher festgelegter Bewertungskriterien handeln. Dabei werden technische, funktionale und/oder nicht-funktionale Merkmale miteinander verglichen, um dann eine Entscheidung treffen zu können. Eine gängige Methode bei solchen Arbeiten ist die Nutzwertanalyse. Ein mögliches Gliederungsbeispiel ist nachfolgend dargestellt.
Die Anforderungen an das Softwareprodukt spiegeln sich in der Definition der Bewertungskriterien in Kapitel 3 wider. In der Definition der Bewertungskriterien werden Punkte bzw. Prioritäten für die einzelnen Kriterien vergeben. Wichtig ist hierbei, dass die Punktevergabe argumentativ begründet wird und nachvollziehbar ist. Die definierten Kriterien bilden die Basis für den darauffolgenden Vergleich. In dem Vergleich in Kapitel 4 werden die relevanten Merkmale der Produkte herausgearbeitet und näher beschrieben. Entsprechend des Erfüllungsgrads der vorab festgelegten Kriterien werden dann für jedes relevante Produktmerkmal Punkte vergeben. Die Gesamtpunktzahlen für die einzelnen Produkte werden dann in Kapitel 5 tabellarisch zusammengefasst, um so eine Handlungsempfehlung aussprechen zu können.
Ein weiterer Typus von Arbeiten sind solche, die sich schwerpunktmäßig mit der Analyse von Anforderungen beschäftigen. Hierbei geht es beispielsweise um eine tiefergehende Anforderungsanalyse im Vorfeld einer Softwareentwicklung oder -anpassung. Ein mögliches Gliederungsbeispiel ist nachfolgend dargestellt.
Die Durchführung der Anforderungsanalyse erfolgt in Kapitel 3. Für die Anforderungsanalyse können unter anderem die Forschungsmethoden der Dokumentenanalyse oder Befragung genutzt werden. Zur Dokumentation der Anforderungen eignen sich die einschlägigen Diagrammtypen der Unified Modeling Language (UML), wie beispielsweise das Use-CaseDiagramm. Möglicherweise soll im Folgekapitel als Vorbereitung auf die Softwareentwicklung ein Systementwurf erfolgen. Auch hier bietet sich die Nutzung der UML an. Es ist auch denkbar, den Systementwurf mit einer Nutzerevaluation zu verbinden.
In einigen Fällen widmen sich Arbeiten der Frage, welche Use-Cases in bestimmten Branchen für neue Technologien bestehen können. Hierbei sollen, ausgehend von einer näheren Analyse der Fähigkeiten einer bestimmten Technologie, Use-Cases für spezielle Kontexte abgeleitet werden. Eine mögliche Gliederung kann, wie nachfolgend dargestellt, aufgebaut sein.
In Kapitel 3 erfolgt die Technologieanalyse. Hierbei ist die Technologie nach einer bestimmten Methodik in ihren verschiedenen Dimensionen (Funktionen, Architektur, Sicherheit, Benutzerfreundlichkeit usw.) näher zu untersuchen. Aufbauend auf diese Untersuchungen können dann im Folgekapitel mögliche Use-Cases abgeleitet werden. Hierbei können beispielsweise verschiedene Kreativitätstechniken sowie Gruppendiskussionen zum Einsatz kommen. Eine Expertenevaluation der abgeleiteten Use-Cases kann die Arbeit abrunden und einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn erzeugen.
Arbeiten, in denen die Entwicklung einer Software im Vordergrund steht, beispielsweise im Rahmen eines Prototyps oder Proof-of-Concepts, folgen einer etwas anderen Logik in ihrem Gliederungsaufbau. Als forschungsmethodischer Rahmen für solche Arbeiten bietet sich die DesignScience-Research-Methodik an. Das nachfolgende Beispiel zeigt eine mögliche Gliederung.
Ob und inwiefern ein Test und/oder eine Evaluation des Prototyps erfolgt, ist auch hier situationsspezifisch zu bewerten. Bei manchen Arbeiten ist die Zielsetzung bereits erreicht und die Tiefe der Arbeit ausgeschöpft, wenn die Implementierung des Prototyps erfolgt ist. Bei anderen Arbeiten wird erst durch den Test und/oder die Evaluation des Prototyps ein angemessener Erkenntnisgewinn erzielt.
Diese Tipps stammen aus dem Buch „Wissenschaftliches Arbeiten“ von Professor Dr. Kai Holzweißig, das online verfügbar ist. Das Buch hat zwei Besonderheiten:
Link zum Buch: https://leanpub.com/wawinfo
Viel Spaß und Erfolg beim Schreiben Ihrer Abschlussarbeit.